Was soll man?
Rothberg, Reichesdorf, Rauthal – wider Erwarten befinden sich diese Orte nicht in Deutschland, sondern in Siebenbürgen, einem Gebiet im südlichen Karpatenraum im Zentrum Rumäniens. Die Namen dieser und weiterer Orte erzählen, dass sich in der Region vor langer Zeit deutschsprachige Menschen niederließen.
Die ethnische Minderheit der sogenannten Siebenbürger Sachsen ist mit ihrer mehr als 800-jährigen Vergangenheit die älteste noch existierende deutsche Siedlergruppe in Osteuropa. In den vergangenen Jahrhunderten verstanden sich die Mitglieder als starke Gemeinschaft, gründeten Bauernsiedlungen und sind die einzige deutschsprachige Minderheit Europas, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht vertrieben wurde, sondern sogar deutsche Schulen haben konnte. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs kam es jedoch zu großen Abwanderungswellen in Richtung Deutschland und die Zahl der Siebenbürger Sachsen reduzierte sich um 95 Prozent auf nur noch geschätzte 13.000 Bewohner_innen.
Marcus Glahn begibt sich in seiner konzeptuellen dokumentarischen Fotoserie auf die Spuren dieser Minderheit im ländlichen Raum Siebenbürgens und untersucht, was von der Tradition und Kultur der Siebenbürger Sachsen geblieben ist. In atmosphärischen Portraits und Landschaftsaufnahmen spiegeln sich seine Begegnungen mit den Mitgliedern der Siebenbürger Sachsen und ihrem persönlichen Umfeld wider. Dabei zeigt er auch Familienmitglieder, die in jüngster Gegenwart vermehrt Ehen mit Rumänen, Ungarn und Roma eingehen.
Die Arbeit gibt einen dokumentarisch-essayistischen Einblick in den Charakter einer deutschsprachigen Minderheit in Osteuropa und zeigt, wie es heute um sie steht.
»Was soll man?« — eine Verkürzung von »Was soll man machen?« hörte Marcus Glahn in fast jedem Gespräch mit den Menschen, die er aufsuchte. Die Redewendung lässt die Sorge der Siebenbürger Sachsen in Rumänien vor einer ungewissen Zukunft anklingen.
Features:
12/2020 — The Calvert Journal
11/2020 — Fototreff Berlin, Instagram Takeover
04/2020 — Emerge Magazin
12/2019 — Fotoroom
Die Archivfotografien stammen aus der privaten Sammlung von Eginald Schlattner (Pfarrer der Gemeinde Rothberg/Roșia).
Die Textfragmente stammen aus dem Jahrbüchern des Pfarrers Karl Wendt aus der Gemeinde Donnersmarkt/Mănărade und wurden mir mit freundlicher Unterstützung des Archivs der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. und des Teutsch Haus in Hermannstadt bereitgestellt.
Einzelausstellung »Was soll man?« in der Kunsthalle Erfurt
14.11.2019 - 26.01.2020
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